Logo Netzwerk Alte Musik e.V.
Responsoria 1611 (Foto: Gerd Altmann, Pixabay)

In diesem Projekt ließ das Ensemble voicemade die Responsoria et alia ad Officium Hebdomadae Sanctae spectantia (1611) von Carlo Gesualdo erklingen.


Eine Konzertreise führte im Sommer 2020 durch Norddeutschland. Konzerte fanden Halle, Schwerin und Wismar statt. Eine zyklische Auführung in der Karwoche 2021 in Süddeutschland bildet den Abschluss und Höhepunkt des Projektes.

Fotogalerie

Fotos: Ensemble voicemade

Projektinfo

»Bis dass der Tod euch scheide(t)...« – eine Heiratsfloskel, die der junge Don Carlo Gesualdo Principe di Venosa ein wenig zu ernst nahm. Nachdem er nämlich seine erste Frau Maria d´Avalos inflagranti mit ihrem Liebhaber ertappt hatte, machte er kurzen Prozess und tötete Frau samt Liebhaber. Ob Tat aus Leidenschaft oder ein rein präventiver Schritt, um selbst einem Giftattentat des Liebespaares zu entgehen – der zwiespältige Meister (1566-1613) bot mit seiner verwegenen und zuweilen erschreckenden Persönlichkeit bereits seinen literarischen Zeitgenossen (T. Tasso: Rime in morte di Donna Maria ebenso wie Pierre de Bourdeille: Les Vies des Dames galantes) reichlich Stoff für ihre Werke.

Diese Episode mit kolportagehaftem Anstrich ist nur einer der Höhepunkte im schillernden und abwechslungsreichen Leben einer der »kühnsten und einfallsreichsten Gestalten in der Musikgeschichte«. Gesualdos Werk und Leben polarisiert weit über die Lebzeiten des Komponisten hinaus. Die Rezeption des Gesualdoschen Schaffens bewegt sich auch oder gerade im historischen Spiegel zwischen totaler Ablehnung »Dilettant im schlechtesten Sinne«, »purer Experimentator«, »unaufführbare und absurde Werke« bis hin zur Apotheose eines der genialsten und kreativsten Klangschöpfers überhaupt.

In seiner Kindheit genoss der Fürstensohn eine umfassende musikalische Ausbildung mit Gesangs-, Lauten- und Kompositionsunterricht. Nach einer Reihe Todesfälle wurde der 18-Jährige aus politischen Motiven heraus mit seiner Cousine Maria d´Avolos verheiratet. Nach dem unfreiwilligen Ableben derselben floh Gesualdo aus Neapel. Über die Jahre nach der Mordtat ranken sich Mythen und Gerüchte. So habe der Wahnsinn oder zumindest Melancholie und pathologische Verhaltensweisen Einzug im Leben des adligen Mäzens und Komponisten erhalten heißt es gelegentlich. Die Heirat mit seiner zweiten Frau Leonora d´Este ist Anstoß für eine ungemein ertragreiche kreative Phase im Leben Gesualdos. Stationen in Ferrara, Florenz und Rom tragen einen Großteil zum Ouevre des Meisters bei. Erhalten sind neben zweier geistlicher Motetten-Bücher (Sacrarum cantionum), sechs komplette Madrigal-Bücher (ein siebtes ist verschollen), die inzwischen fast schon weithin bekannt sind und die, zusammen mit den Bearbeitungen durch A. Schnittke, I. Stravinsky und P. Hindemith Fanfaren auf dem Triumphzug der Gesualdo-Renaissance im 20./21. Jahrhundert sind.

Das opus magnum Gesualdos ist aber sein einzigartiger Tenebrae-Zyklus mit Responsorien für die Nocturnen von Gründonnerstag bis Karsamstag: Responsoria et alia ad Officium Hebdomadae Sanctae spectantia (1611).

Die Responsorien von 1611 sind ein einmaliges Werk. Sie bieten eine streng durchdachte Einheit von 27 Wechselgesängen, einem Benedictus und Miserere, alle zum Gebrauch in den Trauermetten der Heiligen Woche. Diese 27 Responsorien ergeben zusammen ein zusammenhängendes liturgisches Werk, das weit über den historischen Kontext in seiner überwältigenden Einzigartigkeit herausragt. Dieses mehr als ungewöhnliche Unterfangen eines Komponisten im beginnenden 17. Jahrhundert verdeutlicht die spielerische Kühnheit Gesualdos.

Experimentierfreudig unerwartete Harmonik, exzessive Chromatik und ungewöhnliche und erfrischende Klangverbindungen sind Kennzeichen des vokalpolyphonen Kompositionsstils Gesualdos. Von Zeitgenossen wie Monteverdi als musikalischer Erneuerer gefeiert, von Kritikern durch die Zeiten hochgelobt und gleichzeitig zutiefst verachtet, wird Gesualdos Werk im 21. Jahrhundert vollkommen zurecht immer populärer. Die Aufführung der Responsoriae bietet eine Gelegenheit zum tiefen Einblick in eine absolut unbekannte und bisher sträflich vernachlässigte Seite des kompositorischen Schaffens von Carlo Gesualdo. Die geplante zyklische Aufführung in der Karwoche 2021 ist zugleich sowohl eine Hommage als auch ein authentisches Event, das ein einzigartiges Werk zurück ins Rampenlicht rückt.

voicemade

Ensemble Voicemade, Foto: Henriette Jopp

Ensemble Voicemade, Foto: Henriette Jopp

Das Vokalsextett voicemade hat seine Wurzeln in der für ihre hochqualitative a Cappella-Szene bekannten Musikstadt Leipzig. Seit 2017 begeistert das gemischtstimmige Ensemble sein Publikum mit abwechslungsreichen Konzertprogrammen in ganz Europa.

Das Repertoire von voicemade ist vielfältig: geistliche Werke der Renaissance und barocke Motetten, romantische Werke bekannter wie auch in den Hintergrund geratener Komponisten bis hin zu Ur- und Erstaufführungen aus dem weiten Feld der zeitgenössischen Musik bilden einen reichen Schatz der Vokalmusik. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der enormen Bandbreite von Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts. Weltliche Werke aller Epochen sowie beschwingte Arrangements bekannter Songs aus dem Pop-Jazz-Genre runden das facettenreiche Programmangebot des Ensembles ab. Gerade der Kontakt zu jungen Komponistinnen und Komponisten führt zu zahlreichen Uraufführungen und neuen Arrangements bekannter Werke.

Neben der klanglichen Homogenität schätzen Publikum, Veranstalter und Medien die jungen Sängerinnen und Sänger auch wegen der ausgefallenen Programmgestaltung. So hat der Westdeutsche Rundfunk im Dezember 2021 voicemade zu einer Konzertaufzeichnung eingeladen, die an Heiligabend 2021 auf WDR 3 zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde. Das Vokalsextett ist in namhaften Konzertreihen und bei Musikfestivals sehr gern eingeladener Gast. Viel musikalische Abwechslung ist garantiert. Ein faszinierender Klang ebenso. Und alles komplett voicemade.

https://voicemade-ensemble.com/